Die mittelalterliche Technik der Pergamentherstellung

(in Realität erprobt, siehe Photos)
 

Der wichtigste Beschreibstoff des frühen Mittelalters war das Pergament. Mit Pergament wird die Haut von Tieren (meist Kalb, Schaf oder Ziege) bezeichnet, welche zuvor in einem speziellen Verfahren aufbereitet wurde.

In einem ersten Schritt wird die frisch abgezogene Haut für 4-7 Wochen in eine Kalklauge (z.B. Grubenkalk) gelegt. Dank dieses sog. Äscherungsprozesses können Haare, Fett- und Fleischreste leichter entfernt werden. Im Winter dauert der Prozess wegen der tiefen Temperaturen etwas länger.

Nach der Äscherung wird die Haut vor und nach dem Abschabeprozess mit klarem Wasser gewässert, um Kalkreste zumindest an der Oberfläche zu entfernen. Trocknet die Haut in diesem Zustand, zieht sie sich zusammen, und es ist nicht mehr möglich, gutes Pergament herzustellen.

In einem nächsten Schritt wird die vom Wasser aufgedunsene Haut zuerst grob von allen Haarresten gereinigt und anschliessend in einen festen Rahmen gespannt. Der Zug, der auf die Schenkel des Rahmens wirkt, kann bei einer Kalbshaut bis zu einer Tonne ausmachen.

Dies stellt vor allem an die Befestigungsklammern eine hohe Anforderung. Uni die Verbindung zwischen Spannschnur und Fell herzustellen, wurden im Mittelalter kleine Holzkeile oder mit Schnüren befestigte Steine in die Haut gearbeitet. Heute finden noch gut funktionierende Eisen- oder Aluminiumklammern ihre Anwendung. Noch im halbnassen Zustand werden auf der Fleischseite mit einem Schabmesser die letzten Fett- und Hautreste weggeschabt.

Die gespannte Haut trocknet innerhalb weniger Tage. Die Haut ist nun wesentlich dünner geworden, da die relativ grosse Wassermenge, die während des Kalkbades in sie eingelagert wurde, verdunstet ist. Jetzt wird das Pergament auf die gewünschte Stärke, die einen Bruchteil eines Millimeters ausmachen kann! sorgfältig abgeschliffen. Als Schleifmittel dienen Bims- oder Sandstein, gemahlener Muschelkalk und Schulp (Skelett des Tintenfisches).

Damit das Pergament die Tinte besser aufnehmen kann, wird Weizenstärke oder eine dünne Schicht aus Eiweiss aufgetragen. Fettige Stellen können mit Kreidepulver nachgebessert werden. Optimale Lagerbedingungen liegen bei einer Raumtemperatur von 18° C und einer Luftfeuchtigkeit von ca. 55%.

Pergament wurde bis ins Spätmittelalter und teilweise noch im 18. Jahrhundert verwendet. Dieser Beschreibstoff war und ist auch heute noch sehr aufwendig herzustellen und entsprechend teuer. Für ein grösseres Buch wie z.B. eine Bibel wurden bis zu 500 Schafhäute verarbeitet.

Ende des 13. Jahrhunderts wurde in Italien die erste europäische Papiermühle gebaut, und das Papier setzte sich im 14./15. Jahrhundert immer mehr durch. Diese Entwicklung wurde durch die aufkommende Buchdruckerkunst, die auf billiges und rasch herstellbares Papier angewiesen war, stark beschleunigt. Die Pergamentherstellung hat in der Folge rasch an Bedeutung verloren.

 

Materialien und Text: Joseph Fritsche lic.phil.I

 

 

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